Beglückende Intimität

Pedro Aguiar und Davide Tomasi

Meisterkonzert mit Davide Tomasi und Pedro Aguiar (Stipendiat 2015 – 2017) 
Text: Klaus-Peter Volkmann
Fotos: Manfred Neubauer
Quelle: Süddeutsche Zeitung 16. September 2018

Ein Gourmet-Abend für Augen und Ohren: Der Blick in den friedlichen Abendhimmel über den Osterseen – und auf dem Podium davor klassische Solo-Gitarrenmusik, präsentiert von zwei Gitarristen, die als Preisträger namhafter Wettbewerbe ins Licht der Öffentlichkeit rückten. Mit dem Meisterkonzert am Samstagabend hat Andrea Fessmann wieder einmal ein glückliches Händchen bewiesen.

Von Beginn an begleitet das Konzert eine besondere Spannung. Davide Giovanni Tomasi aus Italien (Preisträger im ARD-Musikwettbewerb 2017) und der Brasilianer Pedro Aguiar (zuletzt ausgezeichnet beim Salzburg Guitar Fest 2017) treten abwechselnd auf und sorgen so für reizvolle „Kontrapunkte“. Der eher zart wirkende Tomasi hat für sein Programm Werke ausgewählt, in denen die leisen Töne, filigrane Feinheit und Intimität im Vordergrund stehen, während Aguiar Stücke präsentiert, die seinem südamerikanischen Temperament entgegenkommen. Beide begeistern durch die Perfektion ihres Spiels und tauchen voll und ganz ein in die Interpretation ihrer Musik. Für den Besucher ergibt sich eine intim-romantische Atmosphäre, wie sie wohl nur die klassische Gitarre zu erzeugen vermag.

Seit Jahrhunderten prägt dieses Instrument die Musikgeschichte Spaniens – und hat Komponisten in aller Welt inspiriert. So spielt Tomasi ein Werk des Schweizers Giulio Regondi, ganz im Stil der Romantik des 19. Jahrhunderts – verträumt zu Beginn, mit einer virtuosen Steigerung zum Ende einer heiter-melancholischen Caprice. Danach führt Aguiar ins „spanische Original“ – mit einer Sonata des Spaniers Joaquin Turina von 1932, in der die extremen emotionalen Facetten Spaniens besonders eindrucksvoll in Musik gesetzt sind – mal geheimnisvoll, dann wieder düster und schwermütig, schließlich voller Dynamik und Härte, ungezügelt und dramatisch.

Vor der Pause beschert Davide Tomasi seinen Zuhörern einen vorweggenommenen Höhepunkt des Programms, die berühmte Chaconne von Johann Sebastian Bach aus der Violin-Solosonate (BWV 1004), von Tomasi selbst für Gitarre transkribiert, orientiert am barocken Geist des Werks. Wie wichtig ihm diese Musik ist, wird unmittelbar spürbar. Ihre Ausstrahlung wirkt wie ein leiser Appell in die Rastlosigkeit unserer Gegenwart hinein. Das in Variationen stetig wiederkehrende Thema der Chaconne führt den Zuhörer in eine 15-minütige meditative innere Ruhe. Mit dieser Musik hatte der Thomaskantor wohl den Verlust seiner Frau zum Ausdruck gebracht, die in seiner Abwesenheit verstorben war. Die Wirkung im Saal bleibt nicht aus – lange Zeit absolute Stille, dann großer Applaus.

Nach einem Werk der Moderne des Briten William Walton (von 1972), virtuos gespielt von Aguiar, und Tomasis einfühlsamer Interpretation von drei der bekannten Préludes für Gitarre des Brasilianers Heitor Villa-Lobos (von 1940) überrascht Aguiar das Publikum mit seinem Höhepunkt des Abends – einer „Fantasie über ungarische Motive“ des Österreichers Johann Dubez. Nichts Spanisches ist hier zu hören – dafür eine Abfolge amüsant gestalteter und höchst virtuos vorgetrageneMelodien aus der Zeit der k.u.k. Monarchie – der Beweis, dass Musik für die klassische Gitarre nicht zwingend melancholisch sein muss.

Das Publikum im voll besetzten Saal ist begeistert und erzwingt zwei Zugaben, die nun beide Gitarristen zusammen zu Gehör bringen – in perfekter Harmonie und ungetrübtem Gleichklang des Empfindens – als Schlusspunkt eines Abends, der den Besuchern in besonderer Erinnerung bleiben dürfte.